Wien/Maria Enzersdorf (energate) - Die zahlreichen Vertragskündigungen beim Energieversorger EVN sorgen für Kritik. Kündigungen in einem solchen Ausmaß seien immer bedenklich, da davon auszugehen sei, dass ein beträchtlicher Teil der Kunden am Ende ohne Energieversorgung dastehe, erklärte Thomas Hirmke, Leiter der Rechtabteilung im Verein für Konsumenteninformationen (VKI) gegenüber energate. In dieser Hinsicht sei auch der Versorgungsauftrag der EVN zu sehen. Zwar liefere der Versorger mit der Kündigung ein neues Tarifangebot, diesem muss aber aktiv durch den Kunden zugestimmt werden.
Hier wäre eine andere Vorgehensweise angebracht, so Hirmke. Besonders unverständlich sei die Vorgehensweise des Versorgers auch deshalb, da die EVN erklärte, dass die Energiepreise im Wesentlichen gleichbleiben würden. Zwar steige der Grundpreis, aber gleichzeitig sinke der Arbeitspreis. Daher ist zu erwarten, dass der Hintergrund der Vertragskündigungen nicht eine Preisanpassung allein ist, vermutete Hirmke. Um Näheres zu erfahren, müssten Kunden aber das offizielle Schreiben der EVN abwarten.
EVN: Kein gesetzlicher Versorgungsauftrag
Der Unternehmenssprecher des Versorgers erklärte gegenüber energate, dass laut der allgemeinen Lieferbedingungen in den aktuell geltenden EVN-Tarifen eine Preisanpassung lediglich zweimal pro Jahr möglich sei. Dieser Mechanismus sei aber bei den aktuellen Verwerfungen auf den Energiemärkten schwierig. "Wir laden die E-Control und den VKI gerne zu einem Gespräch ein, um eine rechtlich und betriebswirtschaftlich solide Vorgehensweise festzulegen", so der Sprecher.
Einen gesetzlichen Versorgungsauftrag gebe es nicht und daher könne dieser auch bei der Beurteilung der Änderungskündigung nicht ins Treffen geführt werden. Ein automatischer Tarifwechseln in bestehenden Verträgen wurde laut EVN vom VKI in der Vergangenheit aus rechtlichen Gründen angegriffen, weshalb die Kunden im aktuellen Fall, neue Verträge abschließen müssen.
SPÖ: Rechtunsicherheit nicht auf Kosten der Kunden
Kritik an den Vertragskündigungen durch die EVN kommt auch von politischer Seite. Der Versorger versuche sein juristisches Risiko auf die Kunden abzuwälzen, indem er die Verträge kündige, kritisierte Alois Schroll, SPÖ-Energiesprecher. Die Rechtsunsicherheit im Energiebereich dürfe nicht auf dem Rücken der Haushalte und der Wirtschaft sowie der Industrie abgeladen werden. Die FPÖ kritisierte den politisch legitimierten "Raubzug" durch die österreichischen Haushalte. Von Vertragstreue halte die EVN "nichts", sagte Erwin Angerer, FPÖ-Wirtschaftssprecher.
Kürzlich gab der niederösterreichische Energieversorger bekannt rund 300.000 - also 40 Prozent - seiner Kundenverträge im Bereich Strom und Gas kündigen zu wollen. Gleichzeitig mit der Kündigung sollen betroffenen Kunden auch ein neues Tarifangebot erhalten. Für Haushalte mit einem Jahresverbrauch von 3.500 kWh Strom und 15.000 kWh Gas ändere sich durch die Tarifumstellung "praktisch nichts", teilte der Versorger mit (energate berichtete). /af