München (energate) - Welche Wege führen aus der russischen Gasabhängigkeit? Ein Geothermieerschließungsgesetz als zentrales, auf Geothermie zugeschneidertes Instrument ist einer davon, meint Helge-Uve Braun.
Ein Gastkommentar von Helge-Uve Braun, Technischer Geschäftsführer der Stadtwerke München (SWM) und gleichzeitig Präsident des Bundesverbands Geothermie.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und Putins Wirtschaftskrieg gegen Europa ist eine Zäsur für das System der Energieversorgung in Europa. Einmal mehr wird deutlich, wie entscheidend es ist, neben der Energiewende für Strom in Deutschland auch die Wärmewende, die Dekarbonisierung im Wärmebereich zügig voranzutreiben. Eine große Chance eröffnet die Geothermie, die "grüne Fernwärme". Bis zu knapp einem Viertel des Gesamtwärmeverbrauchs in Deutschland von ca. 1.300 TWh kann sie mit Tiefer und Mitteltiefer Geothermie beitragen: zwischen 118 TWh/a und 300 TWh/a. Um dieses Potenzial heben zu können und damit die Substitution von russischem Gas massiv zu beschleunigen, braucht es dringend bessere Rahmenbedingungen, die die Politik nun angehen muss.
Windenergie-an-Land-Gesetz zeigt wie es geht
Ein Geothermieerschließungsgesetz als zentrales, auf Geothermie zugeschneidertes Instrument ist unabdingbar, um den Geothermieausbau voranzubringen. Beispielgebend kann das vor kurzem in Kraft getretene Windenergie-an-Land-Gesetz (WaLG) sein. Das WaLG zeigt, dass es möglich ist, wesentliche Genehmigungsbestandteile wie Belange des Naturschutzes und des Baurechtes zu integrieren und zielorientiert vorab mit der Antragstellung zu lösen. Bei Geothermieprojekten ist wegen der bislang gesetzlich angelegten Teilung zwischen unter- und obertägiger Realisierung bergrechtlich zweierlei erforderlich: die Aufstellung und Zulassung eines Betriebsplans für die Aufsuchung und Gewinnung von Erdwärme sowie zusätzlich eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Heiz(kraft)werks zur Nutzung der Erdwärme. Das heißt, die Zulassungsentscheidung liegt bei unterschiedlichen Behörden, was erfahrungsgemäß lange Abstimmungsprozesse mit sich bringt. Die Folge sind teils erhebliche Verzögerungen des notwendigen Geothermieausbaus, der als Baustein für die Wärmewende und für eine Unabhängigkeit von russischem Gas so entscheidend ist.
Erforderlich: "Überrangendes öffentliches Interesse"
Folgende Inhalte sind aus unserer Sicht zentral für ein Geothermieerschließungsgesetz: Zum einen muss wegen der besonderen Bedeutung der Geothermie für das Gelingen der Wärmewende wie bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien gesetzlich der Grundsatz verankert werden, dass ihre Nutzung im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient. Damit würde die Geothermie zusätzliches Gewicht bei Planungs-, Abwägungs- und Ausnahmeentscheidungen bekommen, wodurch Zulassungshindernisse (z.B. im Gewässer- und Naturschutzrecht) abgebaut werden könnten.
Zum zweiten ist für den Ausbau der Geothermie eine ausreichende Flächenverfügbarkeit zu gewährleisten, etwa in Form einer Verpflichtung der öffentlichen Hand, Grundstücke zu angemessenen Bedingungen für Geothermie-Vorhaben zur Verfügung zu stellen. Ebenso sollten die Länder verpflichtet werden, im Wege der Raumordnung geeignete Flächen für Geothermie-Vorhaben auszuweisen, als sogenannte "Go-to-Bereiche" für die Geothermie, in denen erleichterte Zulassungsanforderungen an Geothermie-Vorhaben gelten. Auf der Ebene der Bauleitplanung ist durch Änderung des § 35 Abs. 1 BauGB ein spezieller Privilegierungstatbestand für Geothermie (Tiefenbohrungen und Obertageanlagen) zu schaffen, um sie mit anderen privilegierten erneuerbaren Energieträgern (u.a. Wind und Biomasse) gleichzustellen und bestehende Rechtsunsicherheiten zu beseitigen. Und schließlich ist es für das Gelingen der Wärmewende unabdingbar, die Zulassungsverfahren selbst zu vereinfachen und zu beschleunigen, zum Beispiel, indem Geothermie-Vorhaben in einem Zulassungsverfahren mit umfassender Konzentrationswirkung behandelt werden. Geregelt werden müssen ein Vorbescheid mit Genehmigungsanspruch, ein unbürokratischer Verfahrensablauf sowie verbindliche Bearbeitungsfristen.
Wir als SWM leisten unseren Beitrag für die Wärmewende und größere Unabhängigkeit vom russischen Gas und werden den Münchner Bedarf an Fernwärme CO2-neutral decken, überwiegend mit Geothermie. Ein Geothermieerschließungsgesetz würde uns und anderen Energieversorgern mit ähnlichen Vorhaben das deutlich erleichtern. Davon würde unser Land - klimatisch wie geopolitisch sehr profitieren.