Wien (energate) - Neben der Abhängigkeit von russischem Erdgas könnte sich die Abhängigkeit von Öl aus Kasachstan als weitere Schwachstelle in der heimischen Versorgungssicherheit erweisen. Im vergangenen Jahr stammten knapp 40 Prozent der österreichischen Erdölimporte aus Kasachstan. Denn die ehemalige Sowjetrepublik ist Österreichs wichtigster Rohöllieferant, wie das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (Wiiw) in einem Bericht bestätigte.
Dabei verläuft eine der wichtigsten Transportrouten des Caspian Pipeline Consortiums (CPC) die rund zwei Drittel der kasachischen Ölexporte befördert durch Russland. Aktuell zeige sich, dass Russland als ein wichtiger Transitknotenpunkt für dieses Öl bereit ist die Ströme aus politischen Gründen zu begrenzen, so das Wiiw. So verfügte ein russisches Gericht, dass ein für den Export von kasachischem Öl wichtiger Terminal im Schwarzen Meer seinen Betrieb für 30 Tage einstellen muss, wie die Nachrichtenagentur APA berichtete.
Temporäre Blockade der Erdölexporte
Über das Terminal in der südrussischen Hafenstadt Noworossijsk fließen rund 80 Prozent des aus Kasachstan exportierten Erdöls. Hintergrund dürften Unstimmigkeiten zwischen Russland und Kasachstan in Bezug auf den Ukrainekrieg sein. Olga Pindyuk, Ökonomin und Ukraine-Expertin des Wiiw, geht aber nur von einer vorübergehenden Blockade der Erdölexporte aus. Nach ihrer Einschätzung könnten sich die temporären politischen Verstimmungen zwischen den beiden Ländern rasch auf diplomatischer Ebene lösen.
Aktuell bereitet das Klimaschutzministerium eine Verordnung vor, die eine Umstellung von österreichischen Gaskraftwerken für den Betrieb mit Erdöl vorschreiben soll (energate berichtete). Österreich will sich - so wie die meisten anderen EU-Länder - im Zuge des gemeinsamen Ölembargos mit Ende dieses Jahres von russischem Erdöl verabschieden. Knapp 10 Prozent der österreichischen Ölimporte stammten 2021 aus Russland, informierte das Wiiw.
Auch Handelspartner abhängig von russischem Gas
Insgesamt deutlich schwieriger sieht die Lage für Österreich jedoch bei russischem Erdgas aus. Rund 15 Prozent des heimischen Energieendverbrauchs stammt aus dieser Quelle. Auch die wichtigsten Handelspartner Österreichs wie Ungarn (25 %), die Slowakei (22 %) sowie Deutschland (14 %) und Bulgarien (12 %) sind ebenfalls stark von russischem Gas abhängig, so das Wiiw. Gas spielt eine entscheidende Rolle für heimische Industriebetriebe. Dabei nimmt die Bedeutung des Energieträgers im Produktionsprozess nimmt mit der Unternehmensgröße zu.
Das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo schätzt, dass es bei einer 50-prozentigen Reduktion der Gasversorgung zu einem Einbruch der Produktionsleistung von mindestens 19 Prozent kommt. Ein Gaslieferstopp aus Russland würde nicht nur zu einer Energierationierung im Winter führen, sondern viele osteuropäische Länder in eine Rezession stürzen, warnte das Wiiw. Auch wenn es nicht im wirtschaftlichen Interesse Russlands sei, die Gaslieferungen völlig einzustellen, sei es aber auch nicht gänzlich auszuschließen, resümierte Wiiw-Direktor Mario Holzner. /af