Wien (energate) - Klimaschutz entscheidet sich in den Städten. Davon ist Michael Strebl, Wien Energie-Geschäftsführer überzeugt, wie er bei einem Vortrag der Internationalen Energiewirtschaftsfachtagung (IEWT) der TU Wien gleich zu Beginn klarstellte. Zukünftig werden rund 70 Prozent der Menschen in Städten leben. Schon jetzt sind die Städte für rund 76 Prozent des Energieverbrauchs und für 70 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Aus diesem Grund gebe es aus ökologischer und wirtschaftlicher Sicht keine Alternative zur Energiewende. In diesem Zusammenhang seien die Dächer die natürliche Ressource der Stadt, meinte Strebl.
Das Ziel müsse es sein, alle Dachflächen mit PV-Anlagen zu versehen, bei denen dies auch technisch realisierbar sei. Strebl schätzt, dass dies in Wien bei rund 25 Prozent der Dächer möglich ist. Aktuell betreibt Wien Energie 270 Solarkraftwerke mit einer Leistung von circa 70 MW. Ziel des Energieversorgers sei es bis 2030 rund 600 MW PV-Leistung und damit umgerechnet Strom für 250.000 Haushalte zu installieren. Allein die Nutzung von Dachflächen werde aber für den PV-Ausbau nicht ausreichen. Es werden auch Freiflächen erforderlich sein, so Strebl.
Herausforderung: Wärmewende
Viel entscheidender und auch herausfordernder als die Transformation des Stromsystems werde jedoch die Wärmewende sein. Während der Sektor Strom für rund 20 Prozent der Emissionen verantwortlich sei, liege der Wert für die Wärme bei gut dem doppelten, also rund 40 Prozent, so Strebl. In diesem Zusammenhang wolle die Stadt Wien bis 2040 frei von Öl und Erdgas in der Raumwärme sein. Das Fernwärmesystem hätte bereits jetzt die besten Voraussetzungen für eine umweltfreundliche Umgestaltung durch zum Beispiel den Einsatz von Geothermie.
Schwieriger sei die klimafreundliche Transformation bei den rund 500.000 Gasthermen in der Stadt, umgerechnet rund 4,6 Mrd. kWh. Hier arbeite der Energieversorger an Konzepten mit Wärmepumpen. Schätzungen des Energieversorgers gehen von einem Gesamtwärmebedarf der Stadt Wien im Jahr 2040 von rund zehn Mrd. kWh aus. Bis zu 87 Prozent davon könnten mit dekarbonisierter Wärme abgedeckt werden. Der verbliebene Rest müsse dann mit Einsatz von saisonalen Speichern und grünem Gas, etwa Wasserstoff bestritten werden.
Herausforderung: schwankende Erzeugung
Michael Strugl, CEO von Verbund, verwies in seinem Vortrag auf die Herausforderungen, die mit dem Ziel einer hundertprozentigen Stromversorgung aus Erneuerbaren bis 2030 verbunden sind. Dies erfordere nämlich einen Totalumbau des bisherigen Energiesystems. Ein energetischer Zuwachs von rund 27 Mrd. kWh bedeute einen Leistungszuwachs von 19.500 MW. Die aktuelle Kraftwerksleistung in Österreich betrage circa 24.000 MW. Da ein Großteil der Erzeugung dabei aus Photovoltaik und Windkraft, also aus Quellen mit schwankender Erzeugung stammen wird, kommt dem Ausbau der Netzinfrastruktur und der Schaffung von Speichermöglichkeiten große Bedeutung zu, so Strugl.
Schätzungen gehen davon aus, dass eine Strommenge von rund zehn Mrd. kWh saisonal vom Sommer in den Winter verschoben werden muss. Aktuell seien aber die Speichermöglichkeiten im Land nicht ausreichend. Auch müsse über die notwendigen Technologien zur Speicherung diskutiert werden. Strugl geht davon aus, dass es sich dabei nicht allein um Hydrospeicher handeln wird. Als zentrale Herausforderungen für die Transformation des Stromsystems sieht er einerseits die Schaffung von regulatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen und andererseits die Steigerung der Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung für den Ausbau von erneuerbaren Energieprojekten. /af