Berlin (energate) - Mit der Novelle des Energiewende- und Klimaschutzgesetzes steigt Berlin als erstes Bundesland in die Fernwärmeregulierung ein. "Wir schaffen es erstmals in Deutschland, einem Monopolbetreiber klare und sanktionierbare Vorgaben zu machen, bis wann wie viel erneuerbare Wärme im Fernwärmenetz sein muss", sagte Michael Efler, energie- und klimapolitischer Sprecher der Linksfraktion während der dritten und damit letzten Lesung des Berliner Abgeordnetenhauses. Das Parlament verabschiedete am Abend des 19. August mit den Stimmen der rot-rot-grünen Regierung die Gesetzesnovelle. Die FDP stimmte wegen "handwerklicher Fehler" gegen das Gesetz, befürwortet aber inhaltlich ebenso den Einstieg in die Fernwärmeregulierung. Der Rest der Opposition CDU und AfD enthielt sich.
Auf Betreiben der Linksfraktion seien jetzt im Gesetz Sanktionsmöglichkeiten von bis zu 1 Mio. Euro möglich, in Eflers Augen "ein scharfes Schwert" gegen Vattenfall, sollte der Konzern die neue grüne Quote von 40 Prozent bis 2030 nicht erreichen. Vattenfall selbst zeigte sich auf energate-Nachfrage "enttäuscht" von der Tatsache, dass Ziele immer weiter nach oben geschraubt werden, ohne auf die Umsetzbarkeit zu achten. Die grüne Quote im Vattenfall-Netz liegt aktuell bei nur 7 Prozent. "Im Konsens und mit unserem starken Commitment" waren zunächst 30 Prozent anvisiert, sagte ein Konzernsprecher zu energate. Letztlich sei die Quote "unilateral und für uns sehr überraschend" auf 40 Prozent hochgesetzt worden. Vattenfall befürchte jetzt kostenseitig einen Nachteil gegenüber anderen Wärmelösungen, darunter Erdgas, das im nationalen Emissionshandel nur mit einem Preis von aktuell 25 Euro belastet werde.
Für die Nummer 2 in Berlin nach Vattenfall, die Eon-Tochter BTB, ist zumindest die grüne Quote kein Problem, da ihr Netz Berlin Süd-Ost dank ihrem Holzkraftwerk einen grünen Anteil von über 60 Prozent erreicht. "Unsere Fernwärme übererfüllt somit bereits heute die Ziele des Landes Berlin für 2030", sagte Geschäftsführer David Weiblein zu energate.
Neue Regulierungsbehörde mit Preiskontrolle
Zudem beschloss Berlin die Einrichtung einer Regulierungsbehörde mit weitreichenden Befugnissen in puncto Netzzugang und Preiskontrolle sowie umfangreiche neue Informationspflichten für die Fernwärmeversorger. "Es wird für jeden bald im Internet zu sehen sein, wo liegen die technischen Einspeisepunkte und zu welchen Konditionen kann ich dort meine saubere, selbst produzierte Wärme einspeisen", sagte Daniel Buchholz, Sprecher für Stadtentwicklung und Umwelt der SPD-Fraktion bei der dritten Lesung. Für den FDP-Abgeordneten Henner Schmidt dagegen gehen die Freiheitsgrade der Regulierungsbehörde per Verordnungsermächtigung "viel zu weit". Dass eine Behörde festlegen dürfe, welche technischen Anforderungen zu erfüllen sind und mit welchen Kosten der Netzzugang erlaubt ist, wollte die FDP in der Ausschusssitzung eigentlich kippen - ohne Erfolg.
Viele offene Fragen
Für die betroffenen Versorger sind beim Netzzugang und dem beschlossenen Vorrang klimaschonender Wärme noch viele Fachfragen offen, wie BTB-Geschäftsführer Weiblein auf energate-Nachfrage erläuterte: Wie verbindlich werden die Dekarbonisierungsfahrpläne und müssen Externe diese zertifizieren? Wie genau sieht die Risikoverteilung zwischen Netzbetreiber und Einspeiser aus bei Ausfällen und Unterbrechungen? Wer trägt die Netzanschlusskosten und wie darf der Netzbetreiber den Zugang ablehnen - Stichwort "Beweislastprinzip". Ungeklärt sei zudem, ob der Vorrang grüner Wärme faktisch eine Abkehr von nur einem Primärenergiefaktor pro Netz bedeutet.
Auf die Nachfrage, ob nicht für BTB auch Vorteile mit Blick auf den Netzzugang beim Konkurrenten Vattenfall entstehen, verwies Weiblein auf die bisher gute Zusammenarbeit. "Wir können aus praktischer Erfahrung festhalten, dass privatwirtschaftlich, auf dem Verhandlungswege erzielte Kooperationsmöglichkeiten für die Netznutzung Dritter auch ohne steuernden Eingriff einer Regulierungsbehörde funktionieren", betonte der Geschäftsführer. Der gegenseitige Austausch von Wärme sei dort, wo er technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist, seit Jahren gelebte Praxis.
Neuer CO2-Schattenpreis von 180 Euro
Neben der Fernwärmeregulierung enthält die Novelle ehrgeizige CO2-Ziele inklusive konkreter Budgets, eine Ökostrompflicht für öffentliche Gebäude, Vorgaben zu Ladesäulen (energate berichtete) sowie einen CO2-Schattenpreis zur Bewertung von Klimaschutzmaßnahmen. Der festgelegte Preis von 180 Euro sei "viel zu hoch" kritisierte FDP-Abgeordnete Schmidt, bis im Emissionshandel solch ein Niveau erreicht sein wird, würde noch viel Zeit vergehen. Der SPD-Sprecher Buchholz verteidigte das neue Instrument zur Kalkulation, damit "es nicht bei jedem letzten Cent heißt, wir können uns diese technische Erweiterung nicht leisten". /mt